Das Ende einer Plage

September 2015. Wo ist sie geblieben, die vielbeschworene Wespenplage?

Habe ich sie verschlafen? Ist sie an mir vorübergegangen? Hat sie etwa gar nicht stattgefunden? Nicht möglich, denke ich, während ich an diesem Artikel schreibe, schließlich prophezeite ein Biologe, den ich ob seiner Ausführungen sehr schätze, ein wahres Wespenjahr 2015 im Sinne der Schädlingsbekämpfung. Irgendwie scheint diese Prognose an unserer Firma, wahrscheinlich auch anderen, still und leise vorbeigezogen sein. Irgendwann griffen die Medien das Thema Wespen auf. Machen sie jedes Jahr. Diese mediale Aufarbeitung erinnert ein bisschen an die sprichwörtlichen tibetanischen Gebetsmühlen. Sobald die Nachrichten über den Äther brandeten, häuften sich auch schon die Rückmeldungen. Angriffe heimtückischer Wespen mit dramatischen Auswirkungen. Da sind die Menschen, die während ihres opulenten Frühstücks im Freien von Heerscharen dieser Insekten belästigt wurden und in der Folge ihre Mahlzeit nicht hatten beenden können. Da war die Mutter, die ihr leidendes Kind bedauerte, weil dieses von Wespen gestochen worden war, während es sich mit einem Wasserschlauch an der Vernichtung eines Erdnestes im heimischen Garten versucht hatte.
Wo war ich eigentlich während dieser Zeit? Hatte ich den Sommer und die Hochzeit der Wespen etwa verpasst? Kann ja nicht sein. Immerhin gehöre ich zu jenen Menschen, denen der Stich einer Wespe ziemliche Probleme bereiten kann. Ich bin Allergiker. Und deshalb achte ich sehr auf die Anwesenheit dieser fliegenden Insekten. Stimmten die alljährlichen Meldungen über die Wespenplagen, ich dürfte mich während des Hochsommers nicht mehr ins Freie wagen. Warum nur meiden mich die Wespen? Warum sitze ich vollkommen entspannt im Eiscafé unter freiem Himmel, obwohl einige Tische weiter, aufgeregte Menschen wedelnd und schlagend versuchen, die Wespen abzuwehren versuchen? Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht im Freien esse oder süße Getränke trinke, weil ich genau weiß, dass ich die Wespen damit auf mich aufmerksam machen würde. Ich benutze im Sommer auch keine Düfte, wie sie zum Beispiel in Cremes und Deo´s verwendet werden, was ebenfalls die Wespen zu mir führen könnte.

Wie kam und kommt es dann zu dieser Art von Meldungen? Eine Wespenplage gab es nicht. Weder 2010, 2012, 2013, 2014 oder 2015. Wahrscheinlich wird es sie auch nicht im Jahre 2016 oder 2500 geben. Was es gab, gibt und geben wird, ist das Sommerloch, sind Menschen, leider auch Schädlingsbekämpfer, die mit dem Heraufbeschwören einer Plage Gehör finden wollen, sind die Medien, die alljährlich solche Meldungen aufgreifen und so verbreiten.

wespe

Ja, es kann vorkommen, dass Wespen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort vermehrt auftreten, dass Menschen Situationen geraten, wo sie verstärkt von Wespen belästigt, oder sogar gestochen werden. Und so beeinträchtigend dies auch für den einzelnen Menschen sein mag, von einer sich bundesweit erstreckenden Plage kann man da aber nicht sprechen. Auch wenn es manche Zeitgenossen gerne anders sehen würden.

Egal wie, ich könnte darauf wetten, auch im Jahre 2016 wird man wieder von einer Wespenplage lesen oder hören können. Keine Frage. Und die Menschen, die in Schwimmbädern, in Parkanlagen oder im Biergarten ihre Freizeit verbringen, essen, trinken, oder sich in unmittelbarer Nähe übervoller Abfalleimer aufhalten, werden den Meldungen über die Plage gerne zustimmen. Alleine die Wespen und meine Wenigkeit werden uns am Ende der Saison dann fragen, wo sie wieder geblieben ist die Wespenplage.

Das Ende der diesjährigen Wespenzeit
Text von Peter Lieving